Sprechen, Schweigen, Handeln

Manchmal passieren Dinge, die uns sprachlos machen. Schlimme Situationen, für die wir dann nach Material für Andachten und Gottesdienste suchen. Hier gibt es Anregungen dazu.

Als Anregung sollen diese Bausteine und Vorschläge dienen, die anlässlich des Amoklaufs in Winnenden und Wendlingen 2009 zusammengestellt wurden.

Gedenkgottesdienst

Wer?
Wartet nicht, bis „irgendjemand“ für euch einen Gottesdienst anbietet. Wenn ihr das Gefühl habt, dass es für euch und eure Gruppe richtig und wichtig wäre, dann sprecht mit anderen Personen darüber, ob sie das auch so sehen. Dann geht zu einem*r der Hauptberuflichen (z. B. Pfarrer, Diakon, Gemeindereferent*in, Pastoralreferent*in) oder einem*r anderen Verantwortlichen und fragt an, ob ein Gottesdienst möglich wäre und wer ihn leiten bzw. vorbereiten könnte. Das muss nicht immer ein Priester sein. Auch Gruppenleiter*innen oder Oberminis können das mit und für ihre Gruppe tun.

Für wen?
Überlegt euch, was für euch und eure Gruppe das Beste wäre. Es müssen nicht immer große, öffentliche Gottesdienste sein. Vielleicht ist eine Andacht im kleinen Rahmen eher angebracht: Nur ihr mit euren Minis.

Wo?
Wenn ihr in der Kirche feiern wollt, fragt unbedingt vorher beim Pfarrer oder einem*r Hauptberuflichen nach. Vielleicht wollt ihr dort Gottesdienst feiern, wo ihr euch auch sonst immer trefft: im Gruppenraum oder im Freien.

Wann?
Wartet nicht zu lang. Aber macht auch keine Hektik. In der Regel reichen drei bis vier Tage Vorlauf.
Macht euch nicht zu viele Gedanken über Werbung und Plakate. Wenn es ein eher „privater“ Gottesdienst ist, dann sowieso nicht. Setzt auf Mund-zu-Mund-Propaganda! Wenn es ein öffentlicher Gottesdienst sein soll, dann bittet eine*n Hauptberuflichen, euch bei der Veröffentlichung zu unterstützen. Oder gebt selbst eine kurze Information an die Zeitung.
 

Vorschlag für einen Gottesdienst-Ablauf

Übersicht:
1. Ankommen
2. Einleitung
3. Gebet
4. Text
5. Stille
6. Symbolhandlung
7. Gebet
8. Segensbitte
Zwischen den einzelnen Elementen sind Lieder möglich.
 
1. Verschiedene Vorschläge zum ANKOMMEN

  • Stühle sind im Kreis aufgestellt. In der Mitte liegt ein schwarzes Tuch. Darauf stehen eine brennende Kerze und ein Kreuz. Im Hintergrund leise Meditationsmusik.
  • Die Kirche ist dunkel, nur die Kerzen am Altar brennen. Die Teilnehmenden setzen sich in Stille in die Bänke. Der Gottesdienst beginnt mit einem Instrumental-Stück (Orgel, Gitarre, CD-Player, ...).

 2. Verschiedene Vorschläge zur EINLEITUNG

  • Kreuzzeichen: „Wir beginnen diesen Gottesdienst im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“
  • Schweigen: „Wir möchten so vieles sagen. So viele Fragen liegen uns auf der Zunge. Trotzdem bleibt vieles unaussprechlich. Deshalb beginnen wir mit einer Minute des Schweigens.“
  • Begrüßung frei formuliert (vor allem, wenn ihr die Gruppenmitglieder persönlich kennt), etwa so: „Liebe Minis, wir halten eine Gedenkfeier für ... Schön, dass ihr gekommen seid!“
  • Begrüßung formell (vor allem, wenn es sich um einen öffentlichen Gottesdienst handelt), zum Beispiel so: „Im Gedenken an ... und in Solidarität mit allen Trauernden wollen wir voreinander und vor Gott unsere Trauer, unsere Wut und unsere Ratlosigkeit in dieser Gedenkfeier zum Ausdruck bringen.“

3. Verschiedene Vorschläge zum GEBET

  • „Lasst uns beten!
    Allmächtiger Gott.
    In Stunden wie dieser fragen wir dich:
    Wo bist du mit deiner Macht?
    Wo bist du mit deiner Liebe?
    Wo bist du mit deiner Menschlichkeit?
    Wir fragen uns, ob es denn stimmen kann, wenn von deiner Zärtlichkeit und von deiner schützenden Hand die Rede ist.
    Wenn von Auferstehung erzählt wird und davon, dass am Ende alles gut sei.
    Allmächtiger Vater,
    du bist uns unbegreiflich.
    Unbegreiflich fern und unbegreiflich nah zugleich.
    Deshalb bitten wir dich nicht darum, das Geschehene zu verstehen, wir bitten dich um deine Nähe.
    Wir wollen gern wissen, was der Sinn von alledem ist,
    doch vor allem wollen wir vertrauen können, dass du bei uns bist.
    Wir wollen darauf vertrauen können, dass du ein Gott bist,
    der nie aufhören wird, uns zu halten, uns zu umarmen.
    Darum bitten wir dich durch Christus, unseren Herrn.
    Amen.“
  • Warum?
    Warum die Nacht um mich herum?
    Warum die Angst?
    Warum so viele Tränen?
    Warum die Dunkelheit auf dieser Welt?
    Warum?
    Warum die Gewalt?
    Warum so viele zerbrochene Beziehungen?
    Warum die verletzten Herzen? 
    Warum die Dunkelheit unter den Menschen?
    Warum?
    Warum diese Ungerechtigkeit?
    Warum dieser Verrat?
    Warum diese qualvollen Stunden?
    Warum so viel Hass?
    Warum die vielen offenen Fragen?
    Warum?
    Warum die Leiden auf der ganzen Welt? 
    Warum die vielen Kreuze?
    Warum der Tod?
    Warum die Finsternis in meinem Herzen?
    Warum, mein Gott, ich frage dich:
    Warum?
    (Gabriele Denner)

4. Verschiedene Vorschläge zum TEXT

  • Lk 7,11-13a
    Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas:
    „In jener Zeit ging Jesus in eine Stadt namens Naïn; seine Jünger und eine große Menschenmenge folgten ihm. Als er in die Nähe des Stadttors kam, trug man gerade einen Toten heraus. Es war der einzige Sohn seiner Mutter, einer Witwe. Und viele Leute aus der Stadt begleiteten sie. Als der Herr die Frau sah, hatte er Mitleid mit ihr.“
    Wort des lebendigen Gottes. Dank sei Gott. 
  • Johannes 11,17-21.34-37
    Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes: 
    „Als Jesus ankam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grab liegen. Betanien war nahe bei Jerusalem, etwa fünfzehn Stadien entfernt. Viele Juden waren zu Marta und Maria gekommen, um sie wegen ihres Bruders zu trösten. Als Marta hörte, dass Jesus komme, ging sie ihm entgegen, Maria aber blieb im Haus. Marta sagte zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben. Als Jesus sah, wie sie weinte und wie auch die Juden weinten, die mit ihr gekommen waren, war er im Innersten erregt und erschüttert. Er sagte: Wo habt ihr ihn bestattet? Sie antworteten ihm: Herr, komm und sieh! Da weinte Jesus. Die Juden sagten: Seht, wie lieb er ihn hatte! Einige aber sagten: Wenn er dem Blinden die Augen geöffnet hat, hätte er dann nicht auch verhindern können, dass dieser hier starb?“
    Wort des lebendigen Gottes. Dank sei Gott.  

5. Verschiedene Vorschläge zur STILLE

  • „Wenn man sprachlos ist, darf man auch mit seinem ganzen Schweigen vor Gott stehen. Er hört uns auch zu, wenn wir keine Worte finden. Er hört unsere Gefühle, unsere Ängste, unsere Hoffnungen, unsere Bitten und unsere Fragen. Er hört alles. Er hört uns. So tragen wir unser Schweigen vor Gott!“
  • Jeder redet. Die Nachrichten. Die Talkshows. Die Sondersendungen. Auf der Straße: „Hast du gehört dass …“, im Bus: „Man sagt sich ja, dass …“ und im Supermarkt: „Angeblich soll ja …“ Jeder redet, jeder spricht, jeder erzählt. Nur Gott schweigt. Hat er nichts zu sagen? Will er nichts sagen? Weiß er nicht, was er sagen soll? Oder hört er einfach zu? Wir wissen darauf keine Antwort. Wir hören das Schweigen. Vielleicht liegt im Schweigen seine Antwort. Hören wir der Stille zu. Lassen wir Raum für Gedanken, Raum für Gebete, Raum für Schweigen. Werden wir still. 

6. Verschiedene Vorschläge für eine SYMBOLHANDLUNG

  • Ein Brief an Gott:
    Schreibt eure Gedanken, eure Fragen und eure Bitten auf die bereitgelegten Blätter und steckt sie in den Briefumschlag. Wir werden diese Briefe anschließend verbrennen und so zu Gott aufsteigen lassen.“
  • Kerzen anzünden: 
    „Jeder ist nun eingeladen, eine Kerze anzuzünden. Für sich, für die Toten, für deren Eltern, Geschwister und Freunde, für die Trauernden.“
  • Zeichen des Friedens: 
    „Hass kann so viel Unheil anrichten. Deshalb wollen wir nun dem Hass ein Zeichen entgegensetzen und uns gegenseitig ein Zeichen des Friedens geben. Jeder darf sich einen Anhänger (ein Armband, ein kleines Kreuz ...) nehmen und seinem Nachbarn umhängen. Macht es schweigend, aber wünscht eurem Gegenüber dabei Frieden und den Segen Gottes.“
  • Bäume pflanzen:
    „Martin Luther soll einmal gesagt haben: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, so würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Wir haben für euch Apfelkerne bereitgelegt. Ihr dürft euch ein Apfelkernchen nehmen und einen Spaziergang machen. In rund 10 (20?) Minuten treffen wir uns wieder hier. Lasst dieses Apfelkernchen als Zeichen der Hoffnung irgendwo auf die Erde fallen oder pflanzt es zärtlich irgendwo ein. Wir vertrauen dieses Samenkorn Gottes Händen an. Ebenso vertrauen wir unsere Sorgen, unsere Angst, unsere Trauer, unseren Frust aber auch unsere Freude, unsere Sehnsucht und unsere Hoffnungen Gott an.“
  • Steine vor Gott legen: 
    „Jeder von euch hat am Eingang (auf seinem Platz ...) einen Stein bekommen. Dieser Stein ist ein Symbol für alles, was uns schwer fällt. Dieser Stein steht für die Bilder aus den Nachrichten, die uns belasten, für die Gefühle, die uns bedrücken, für alles, was uns schwerfällt zu verstehen. Nehmt euch einen Augenblick Zeit, dies alles herzuholen, und wenn es für euch passt, kommt nach vorn und legt den Stein hier zum Kreuz.“ 

7. Ein Vorschlag für ein GEBET

Soll ich mal ehrlich sein, Gott?
Soll ich dir mal sagen, was ich davon halte?
Soll ich dir wirklich mal meine Meinung sagen?
Hörst du mir dann zu?
Du glaubst wohl, ich würde mich nicht trauen.
Oh doch, ich würde mich trauen.
Aber zuerst möchte ich wissen, dass du mir überhaupt zuhörst.
Aber du schweigst ja nur.
Weißt du eigentlich, dass das nicht fair ist?
Weißt du eigentlich, wie ungerecht das ist, dass wir hier alles ertragen müssen und du kein Wort, nicht ein einziges dazu sagst? Weißt du wie man sich da fühlt?
Aber was ist schon fair?
Was wäre, wenn du fair wärst?
Ja, was wäre eigentlich, wenn du ein fairer Gott wärst?
Hätte ich es verdient, überhaupt hier zu sein?
Was hätte ich verdient?
Darf ich mich wirklich beklagen?
Soll ich ehrlich sein?
Weißt du, ich verstehe dich nicht!
Aber vielleicht ist das auch gut so!
Ich wünsche mir nur eins.
Hör gut zu: Ich wünsche mir ...
Dass du mich liebst.
Wäre das machbar?

8. SEGENSBITTE
Wir werden ruhig und bitten Gott um seinen Segen.
Auch wenn wir den Sinn dieser Ereignisse nicht verstehen, so vertrauen wir doch auf Gott.
Er segne, beschütze und begleite uns durch unser Leben, schenke uns Menschen, die mit uns trauern, wenn wir traurig sind und mit uns lachen, wenn wir uns freuen.
Er schenke uns eine Hoffnung, die uns durch das Leben trägt
Er schenke uns tiefes Vertrauen und tiefe Liebe, die uns stark macht.
Das gewähre uns der dreifaltige Gott:
Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

Autor: Sebastian Schmid, Ministrantenreferent

Als Favorit speichern

Beitrag teilen

Beitrag herunterladen / drucken

Ähnliche Beiträge